Trennung und Scheidung

„Macht bedeutet nicht Stärke.
Stärke bedeutet nicht nur durchhalten, kämpfen, sich nicht unterkriegen lassen,
sondern auch loslassen, aufgeben, scheitern.
So gilt es, sich mit dem eigenen Scheitern auseinanderzusetzen
und sich mit aller Klarheit einzugestehen,
dass ein weiterer Kampf um die Beziehung aussichtslos ist – nach dem Motto von Irmela Brender (Brender, 1984, S.120): `Aber lieber wollte ich ein Versager sein, als weiter unglücklich´“
(Hötker-Ponath, 2009, S.84).

1. Einführung

Das Abbrechen einer Beziehung erschüttert das Selbsterleben. Aus diesem Grund kann man bei Trennung und Scheidung auch von einem kritischen Lebensereignis sprechen. Duss von Wert (1984) weist darauf hin, dass Trennungen stattfinden, weil das Paar innere Entscheidungen nicht vollzogen hat und daher notwendige Veränderungen nicht stattgefunden haben. Jellouschek (2006) geht davon aus, dass Trennung ein Ergebnis sehr unterschiedlicher Entwicklung ist und die Beziehung deswegen aufgegeben werden müsse.

Eine Trennung bedeutet jedoch nicht nur Lebenskrise, sondern auch Entwicklungschance. So bringt sie neben Enttäuschung, Scheitern und Schuld auch Selbstfürsorge, Veränderungssehnsucht und Risikobereitschaft mit sich. Das Zusammenbrechen der täglichen Routine zwingt zu neuen Verhaltensweisen und Rollenveränderungen. Das einschneidende Erlebnis einer Trennung oder Scheidung betrifft Paare, aber auch Eltern und deren Kinder und oft auch eine gesamte Familie, bis zu den Großeltern. Eine misslingende Neudefinition der Beziehung zwischen den Eltern und eine als negativ erlebte Beziehung zum Kindesvater sind besondere Risikofaktoren für Verhaltensauffälligkeiten bei Trennungskindern.

Vor allem in der ersten Zeit sind Eltern sehr belastet, aber auch spätere Krisenzeiten wie bei einer Wiederverheiratung oder der Geburt von Stiefkindern ist eine kompetente Beratung oder Therapie hilfreich. Eine psychologische Beratung soll es den Eltern ermöglichen, zu einem fairen Umgang miteinander zu finden, um den Kindern einen unbelasteten Kontakt zu den Eltern zu ermöglichen (vgl. Hötker-Ponath, 2009).

Quellenangaben:
Brender, I. (1984).
Duss von Wert (1984).
Hötker-Ponath, G. (2009). Trennung und Scheidung - Prozessbegleitende Interventionen in Beratung und Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta.
Jellouschek, H. (2006). Trennung muss kein Scheitern sein. Ein Gespräch mit Hans Jellouschek. Psychologie heute, 33(12), S. 26-27.

2. Daten und Fakten

Scheidung RechtIn unserer westlichen Gesellschaft ist es möglich, unseren Lebensentwurf selbstständig zu gestalten. Ehe und Familie werden zwar noch immer hoch geschätzt, aber nicht als zwingende Form zu leben angesehen. Der Statusverlust der traditionellen Kernfamilie und konkurrierende Lebensformen führen zu einer rascheren Beendigung von Beziehungen. Die Scheidungsrate in den letzten 50 Jahren ist in allen westlichen Industrieländern angestiegen. Während vor hundert Jahren noch jede dritte Ehe bereits nach 20 Jahren durch den Tod eines Ehepartners ausgelöst wurde, dauert eine Ehe durch die gestiegene Lebenserwartung heute, die im Alter von 25 Jahren geschossen wird, ungefähr 40 bis 50 Jahre. Gleichzeitig ist die Scheidungsrate seit 1960 ständig gestiegen. Im Jahr 2011 lag die Scheidungsrate in Österreich bereits bei 43 Prozent, im Jahr 2013 bei 40 Prozent. Demnach wird fast jede zweite Ehe geschieden, wobei die Statistik seit 2007 (50%) wieder leicht gesunken ist.

In der Steiermark ließen sich 2013 37,4 Prozent der Ehepaare scheiden, was leicht unter dem Landesschnitt liegt. Die mittlere Ehedauer betrug im Jahr 2013 etwa 11 Jahre. Auch dieser Wert erholt sich aktuell, da 1981 die österreichischen Ehen durchschnittlich 7,7 Jahre hielt. Im Jahr 2013 waren in Österreich etwa 18.000 Kinder und Jugendliche akut von der Scheidung ihrer Eltern betroffen, wobei die Scheidungsfamilien durchschnittlich ein Kind aufwiesen. Alleine in der Steiermark schieden sich im Jahr 2013 die Eltern von 2.508 Kindern und Jugendlichen. Und diese Zahlen schließen nicht verheiratete Paare in Trennungssituationen nicht ein.

In Österreich werden etwa 40 Prozent der Kinder in unehelichen Beziehungsformen geboren. Im Jahr 2013 gab es in Österreich 152.000 außereheliche Lebensgemeinschaften mit Kind(ern) (vgl. Statistik Austria, 2014). Rechnet man die unehelichen Trennungen hinzu, erhöht sich die Zahl der betroffenen Kinder drastisch. Umso wichtiger ist es, dass Eltern sich bestmöglich mit der Thematik auseinandersetzen, um ihre Kinder vor negativen Scheidungsfolgen zu schützen.

Quellenangaben:
Statistik Austria (2014). Ehescheidungen. Verfügbar unter: www.statistik.at [ Stand Juni 2014].

3. Der Scheidungsprozess

StreitEine Scheidung ist kein singuläres Ereignis, sondern kann vielmehr als ein längerer Prozess verstanden und in drei Hauptphasen beschrieben werden.

3.1. Die Vorscheidungsphase

Die Vorscheidungs- oder Ambivalenzphase kann sich über mehrere Jahre hinziehen. Offene oder verdeckte Trennungsabsichten werden oft erst in einer fortschreitenden Ehekrise deutlich, da der Beginn schleichend verläuft. Durch (äußere bzw. innere) Distanz, psychische Störungen oder psychosomatische Störungen können die Schwierigkeiten in der Beziehung lange verschleiert werden. Die Ambivalenzphase endet dann, wenn ein Partner deutlich zu verstehen gibt, dass für ihn die Beziehung zu Ende ist. Aufkommende Zukunftsängste und Zweifel, die unterdrückt werden, werden als sehr belastend wahrgenommen. Der/die Trennungsambivalente beschreitet einen schrittweisen Abschiedsprozess und sammelt insgeheim „Beweise“, um die (Absicht der) Trennung begründen zu können. Zur endgültigen Trennung braucht es jedoch meist eine veränderte Lebenssituation (z.B. Tod eines Angehörigen oder Arbeitslosigkeit), den Übergang zu einem neuen Lebensabschnitt (z.B. Pensionsantritt, Arbeitsplatzwechsel) oder eine/n heimliche/n Geliebte/n (vgl. Hötker-Ponath, 2009).

Das Erleben der Kinder

Eltern, die sich in der Ambivalenz befinden, sind oft wenig verfügbar für die Kinder. Die Kinder hingegen stehen mittendrinnen und werden Zeugen von Konflikten, Schweigen und Spannungen. Gerade in dieser Zeit werden die ureigensten Bedürfnisse der Kinder nach Schutz, Sicherheit und Kontakt kaum wahrgenommen. Sie haben dadurch Angst, dass die Eltern sich trennen und auch sie deshalb verlassen werden. Aus diesem Grund beobachten sie die Eltern genau. Meistens wissen die Kinder daher viel besser Bescheid, als es die Eltern für möglich halten. Weil sie ihr Wissen jedoch nicht Deuten können, laufen die Kinder Gefahr, Symptome zu entwickeln. Die Trennungsambivalenzen der Eltern können dadurch vorübergehend verdrängt werden und die Eltern müssen sich nicht mehr mit dem Beziehungskonflikt auseinandersetzen. Kommt es zu einer tatsächlichen Trennung, kann sich das Kind unbewusst für das Scheitern der Eltern verantwortlich machen. Das Kind kann daraufhin mit verstärktem Zorn und Aggressionen reagieren, andere Kinder ziehen sich zurück und eine dritte Gruppe gibt sich pseudoerwachsen und angepasst, um es den Eltern leichter zu machen. Die Kommunikation mit den Kindern in dieser Zeit ist essentiell, um die Kinder nicht zusätzlich zu verunsichern und um das Vertrauen der Kinder in die Eltern aufrechtzuerhalten (vgl. Hötker-Ponath, 2009).

3.2. Die Scheidungs- bzw. Trennungsphase

ScheidungDie Trennungs- oder Scheidungsphase beginnt mit dem Auszug eines Partners bzw. mit der Einleitung erster juristischer Schritte. Trennungen sind bedeutsame Übergänge in eine neue Lebensphase. Vertrautes muss losgelassen werden und Unbekanntes beginnt. Viele Fragen kommen auf beim Trennungspaar auf: Wie sollen die Finanzen in Zukunft geregelt werden? Wer bleibt in der gemeinsamen Wohnung? Wie regeln wir den Umgang mit den Kindern? Nach einer oft sehr krisenhaften Zeit der Realisierung der Trennung müssen Anpassungsleistungen passieren: Der Verlust muss erst durch Trauer bewältigt werden. Dabei tauchen auch Schuld- und Wutgefühle, Einsamkeit und innere Leere auf. Werden diese Gefühle nicht konstruktiv umgewandelt, sondern internalisiert, kann als Folge eine Depression entstehen. Trauer und Trennungsschmerz müssen zugelassen werden, um sich von Überholtem und Vergangenem zu verabschieden und bereit zu werden für den Wandel und Neubeginn. Während beim verlassenen Partner Wut- und Trauergefühle im Vordergrund stehen, tauchen bei dem Partner, der geht, vermehrt Schuldgefühle auf. Die Selbstvorwürfe gehören zu jeder Trennung dazu. Vor allem wenn Kinder involviert sind, wird die Trennung als Verrat am eigenen Eltern-Ideal und den Loyalitätsverpflichtungen gesehen (vgl. Hötker-Ponath, 2009).

Das Erleben der Kinder

Trauer KindIn der Zeit der Trennung gehen den Kindern viele Fragen durch den Kopf, doch nur wenige davon können ausgesprochen werden und finden so keine Antwort. Das äußere Chaos durch die Trennung entspricht dem inneren Chaos, da im Kind eine große Angst und Unsicherheit entsteht, alleine gelassen zu werden. Bei einer Scheidung ergeben sich neue Strukturen, die das Kind sehr verunsichern und erst verstehen lernen muss (z.B. Alltag besteht nun aus Hin- und Herpendeln zwischen den Eltern, mit einem Elternteil alleine leben). von Wut und Trauer tauchen bei vielen Kindern gegenüber dem gehenden Elternteil auf. Durch das Erschüttern der Sicherheit entstehen auch Gefühle von Angst (Trennungsängste), Ohnmacht und gehen mit Loyalitätskonflikten, Schuldgefühlen, Verhaltensauffälligkeiten, Leistungseinbrüche und psychosomatische Beschwerden einher. Jedes gesunde und normale Kind muss auf die Trennung reagieren und es ist grundsätzlich normal für die erste Zeit vor und nach der Trennung, dass Kinder Symptome entwickeln. Sich als Eltern darauf einzustellen, kann schon als Gewinn angesehen werden. Geht die normale Trauerreaktion des Kindes in eine depressive Reaktion über, zeigt sich das durch länger anhaltende Ohnmachts-, Hilflosigkeits- und Resignationsgefühle. Eine therapeutische Bearbeitung der Trennung ist in diesem Fall angeraten und hilft dem Kind, die Trauer zu verarbeiten (vgl. Hötker-Ponath, 2009).

3.3. Die Nachscheidungsphase

Zerissene FamilieDie Nachscheidungsphase beginnt mit der juristischen Scheidung und endet mit der sogenannten emotionalen Scheidung, sprich mit der emotionalen Verarbeitung der Vorkommnisse, also möglicherweise nie. In dieser Phase müssen wichtige Veränderungen der Lebensumstände und der Sozialbeziehungen verarbeitet werden. Nachscheidungskonflikte resultieren nicht selten aus einer unzureichenden inneren Verarbeitung der Scheidung. Der psychische Verarbeitungsprozess einer Scheidung kann einem Trauerprozess nach einem Todesfall gleichen und folglich mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Wird diese Trauerphase nicht adäquat durchlebt, kann ein Festsitzen in Verleugnung und Anklage resultieren, sodass Gefühle wie Hass, Schuldzuweisungen und Enttäuschung die Beziehung nach der Scheidung dominieren (vgl. Bauers, 1992). Nachscheidungsfamilien reorganisieren sich unterschiedlich. Einigen Eltern gelingt es, die Partnerebene von der Elternebene zu trennen und ihre Beziehung auf das Kind auszurichten. Unabhängig davon, ob Zorn oder Enttäuschung empfunden wird, können sich die Eltern gegenseitig respektieren. Ein beachtlicher Teil der Trennungen resultiert in einer Einelternfamilie, in der ein kontinuierlicher Kontakt zum außerhalb lebenden Elternteil nicht mehr gegeben ist. Wie die Kinder das Auseinandergehen ihrer Eltern bewältigen, ist davon abhängig, wie die Elternrollen gemeinsam oder in Absprache miteinander wahrgenommen werden (vgl. Napp-Peters, 2005).

Das Erleben der Kinder

AlleinKinder beschäftigen sich öfters noch lange mit der Frage, warum ihre Eltern sich scheiden ließen. Unter Umständen erleben sie sich schuldig an der Scheidung (v.a. in der Grundschulzeit) oder als gescheitert, in den vielen Versuchen, ihre Eltern wieder zu vereinen. Je jünger ein Kind ist, umso weniger kann es die Scheidung der Eltern unabhängig von der eigenen Person sehen. Die endgültige Trennung kann für Kinder den Verlust einer wichtigen Bezugsperson und der vertrauten Beziehungsmuster bedeuten. Kinder fühlen sich als verlassen, was Gefühle der Wertlosigkeit, Schuld, Verzweiflung, Wut und Hilflosigkeit erzeugen kann. Besonders die Situation, sich Kontakt und Beziehung mit dem abwesenden Elternteil zu wünschen, was vom anderen Elternteil nicht toleriert wird, oder gar juristische Besuchs- und Sorgerechtskämpfe sind sehr belastend für das Kind. Wenn beide Elternteile versuchen, das Kind auf ihre Seite zu ziehen, wird es in die unbewältigten Beziehungskonflikte mit einbezogen und von beiden Eltern als ich-stützend benutzt. Nicht selten werden Kinder in der Nachscheidungsphase in verschiedene Rollen gedrängt, da ihnen Persönlichkeitsmerkmale des abgelehnten Elternteils zugeschrieben werden Vaterwochenende(häufiger bei Söhnen die bei ihrer Mutter leben), oder sie unbewusst als Partnerersatz oder Tröster in der Einsamkeit fungieren müssen. Mit dem Auszug des Vaters fällt in vielen Familiensystemen das männliche Identifizierungsmodell weg, was einen wichtigen Faktor für die kindliche Entwicklung darstellt. Symptome, die Kinder aus einer ausgeprägten Nachscheidungskrise entwickeln können, sind vielfältig. Als Folgen der Trennungserfahrungen können sich übersteigerte Abhängigkeiten, Trennungsängste, die mangelnde Fähigkeit, emotionale Bindungen aufrecht zu erhalten oder Misstrauen in die Verlässlichkeit menschlicher Beziehungen langfristig entwickeln (vgl. Bauers, 1992; Bauers et al. 1988).

Quellenangaben:
Bauers, B. (1992). Familientherapie bei Scheidung. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 41(7), S. 253-258.
Bauers, B., Reich, G. & Adam, D. (1988). Nachscheidungskonflikte - Eine Herausforderung an Beratung und Therapie. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 37(8), S. 346-355.
Hötker-Ponath, G. (2009). Trennung und Scheidung - Prozessbegleitende Interventionen in Beratung und Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta.
Napp-Peters, A. (2005). Mehrelternfamilien als Normalfamilien - Ausgrenzung und Eltern-Kind-Entfremdung nach Trennung und Scheidung. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 54(10), S. 792-801.

4. Psychologische Hilfen

4.1. Trennungs- und Scheidungsberatung bzw. Coaching der Eltern

ZusammenhaltenIn Form von Gesprächen wird versucht, den Eltern oder einem Elternteil praktische Tipps für den Umgang mit ihrem Kind zu geben und offene Fragen zu beantworten. Wie sage ich es den Kindern, dass wir uns scheiden lassen? Wie gehe ich mit meinem Kind in der Scheidungszeit um? Ist das Verhalten meines Kindes eine normale Reaktion? Das Ziel der Trennungs- und Scheidungsberatung ist es, den Betroffenen ein möglichst konstruktives Leben in und nach der Trennung zu ermöglichen. Da jedes familiäre System unterschiedliche Bedürfnisse mit sich bringt, versucht man, durch die Fragen „Was braucht das/die Kinder, was brauchen die Eltern?“ passgenaue Zielvorstellungen zu formulieren.

Im Allgemeinen handelt es sich dabei jedoch um folgende Zielvorstellungen:

  • interne und externe Ressourcen erarbeiten/stärken,
  • Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten fördern,
  • eigene Kompetenzen und die Kompetenz im Umgang mit anderen erhöhen und Konflikte mindern,
  • emotionale Folgen der Trennung bewältigen,
  • Stressbewältigungsstrategien erarbeiten,
  • gemeinsame Verantwortung der Erziehung zum Wohle der Kinder erhalten und an die neue Lebenssituation anpassen und
  • neue Perspektiven für eine getrennte Lebensform entwickeln (vgl. Hötker-Ponath, 2009).

4.2. Psychologische Behandlung von Scheidungskindern

In der psychologischen Behandlung kommen verschiedene passgenaue Techniken zum Einsatz. Kinder können oft nicht bewusst darüber Auskunft geben, was in ihnen vorgeht. Wichtig ist, dass die Gefühle und Sorgen des Kindes an die Oberfläche kommen, um bearbeitet werden zu können. Hierfür eigenen sich unter anderem folgende Interventionsmethoden:

Psychologische Gespräche:
In Form von einfühlsamen offenen Gesprächen (vor allem bei älteren Kindern) kann die belastende Zeit oder ein einschneidendes Erlebnis noch einmal durchlebt werden, was zu einer Desensibilisierung führen kann. Durch das Einnehmen von anderen Perspektiven können neue Blickwinkel auf die familiäre Situation eröffnet werden. In einem geschützten Rahmen wird den Kindern Raum gegeben, ihre Gefühle, Sorgen und Gedanken auszusprechen.

Therapeutische Kindergeschichten:
Themenbezogene Märchen und Geschichten eignen sich gut, um in ein Gespräch einzusteigen, ein Problem von einer anderen Ebene zu behandeln und mit den Kindern gemeinsam Schlüsse für ihre Situation zu ziehen. In diesen Geschichten sind Anregungen und Denkanstöße symbolisch verkleidet und können von Kindern gut angenommen werden (siehe Literaturtipps).

Gestalttherapeutische Elemente:
Nicht jedes Kind kann oder will offen über seine/ihre Gefühle sprechen bzw. ist sich derer bewusst. Für die Aufarbeitung kindlicher Erschütterungen eignen sich deshalb gestalterische kreative Ausdrucksformen. Mit Zeichnen, Malen, Tonarbeiten, Schreiben, Ritualen und vielem mehr können Emotionen, Ängste und Konflikte ausgedrückt werden und Zugänge zu den Gefühlen eröffnet werden.

StrukturaufstellungSystemische Techniken:
In Form von symbolischen "Aufstellungen" von Familienstrukturen mit Kegeln, kleinen Püppchen oder Playmobil-Figuren, können Strukturen oder Veränderungen des Familiensystems von Kindern und Jugendlichen dargestellt werden. Auf einer sogenannten Metaebene wird es möglich, mit dem Kind über die familiäre Situation zu reflektieren.

EMDR:
EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ist eine Technik zur Aufarbeitung von belastenden Ereignissen, die sich aufgrund des nonverbalen Vorgehens besonders für Kinder und Jugendliche eignet. Die Augenbewegungen des Kindes werden rhythmisch hin und her geleitet, während sich das Kind innerlich seine belastenden Erinnerungen vor Auge führt. Durch EMDR werden spezielle Prozesse im Gehirn aktiviert, wodurch die Verarbeitung der Belastungsfaktoren neu in Gang gesetzt wird.

Quellenangaben:
Hötker-Ponath, G. (2009). Trennung und Scheidung - Prozessbegleitende Interventionen in Beratung und Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta.

5. Tipps für Eltern

Helfende HandFür Eltern in einer Scheidungssituation stellt sich die Frage, wie unterstütze ich mein Kind in dieser schwierigen Zeit. Leider gibt es kein allgemeingültiges "Rezept" für das elterliche Verhalten, jedoch aber praktische Tipps und sogenannte "Schutzfaktoren", welche die kindliche Verarbeitung der Scheidung unterstützen sollen (vgl. Hötker-Ponath, 2009; Koch & Strecker, 2011; Strobach, 2013):

  • Klären Sie Ihr Kind gemeinsam darüber auf, dass Sie sich trennen werden. Betonen Sie, dass niemand die Schuld dafür trägt, dass sich die Familie trotzdem gern haben wird und erklären Sie dem Kind zusammen Ihren Entschluss. Nehmen Sie sich dafür Zeit und bleiben Sie im Anschluss beide für das Kind ansprechbar.
  • Kinder und Jugendliche sollen dazu ermuntert werden, jederzeit fragen zu dürfen, wenn es sich unsicher darüber ist, ob sich die Eltern nun trennen werden. Geben Sie Ihrem Kind klare, altersentsprechende Antworten. Fantasien und Ängste sind bedrohlicher als die Realität! Über die genauen Inhalte des Paarkonflikts soll jedoch nicht mit den Kindern/Jugendlichen gesprochen werden (Grenzen).
  • Kinder brauchen die Möglichkeit, ihre Gefühle auszudrücken und innerhalb der Familie zu trauern. Zeigen auch Sie ihrem Kind, dass Sie traurig sind bzw. was Sie fühlen. Gefühle brauchen Raum und Zeit.
  • Klären Sie Ihr Kind über die verschiedenen Formen von Liebe auf und dass die Liebe zum Partner anders als Elternliebe ist. Automatisch stellen sich Kinder sonst die Frage, wann die Liebe zu ihnen aufhört. Für ältere Kinder können Gespräche über die Abläufe in einer Beziehung hilfreich sein (z.B. wie es ist, sich auseinander zu leben).
  • Sprechen Sie nicht negativ über den anderen Elternteil. Jeder für sich ist in Ordnung, miteinander ging es eben nicht.
  • Kindern gelingt die Bewältigung der elterlichen Trennung besser, wenn sie Freundschaften und vertraute Lebensräume als Ressourcen nutzen können. Kontinuität ist für Scheidungskinder besonders wichtig, weshalb das gewohnte Umfeld bestmöglich erhalten werden sollte.
  • Kinder brauchen mindestens eine Bezugsperson innerhalb oder außerhalb der Familie, die sie tröstet und auf die sie sich verlassen können. Auch ist es zentral, den Blick optimistisch in die Zukunft zu richten und schöne Dinge zu unternehmen.
  • Puzzle zusammensetzenLassen Sie Ihr Kind in manchen Bereichen mit planen oder mit entscheiden (z.B. Gestaltung der neuen Wohnung, denn Kinder können Entscheidungen, an denen sie beteiligt waren, leichter mittragen.
  • Ihr Kind muss die veränderte Situation erst langsam aufnehmen und verarbeiten. Aus diesem Grund sind Symptome bzw. schwieriges Verhalten zu Beginn normal. Etwa provozieren Kinder öfters am Ende eines Besuchstages einen Streit, sodass die Trennung leichter fällt. Manche Kinder verhalten sich rückschrittlich und machen wieder ins Bett, werden aggressiv oder unruhig. Besonders in der ersten Zeit ist die elterliche Zuverlässigkeit für das Kind unerlässlich, es muss in beiden Elternteilen verlässliche Stützen sehen. Führen Sie feste Rituale in den Alltag ein.
  • Tragen Sie auch nach der Trennung gemeinsam Verantwortung. Durch den lebenslangen Kontakt mit dem Kind, bleibt meist auch zwischen den Eltern eine gewisse Beziehung bestehen.
  • Bei gröberen oder länger andauernden Schwierigkeiten ist eine Hilfestellung von außen durch eine/n Berater/in oder Psychologen/in sinnvoll: Wir versuchen dem Kind zu helfen die Trennung zu verarbeiten, Ängste abzubauen und wenn möglich zum Wohle des Kindes gemeinsam mit den Eltern klare Strukturen aufzubauen, damit sich das Kind wieder sicher fühlt.

Literaturtipps für Kinder, Jugendliche und Eltern zum Thema Scheidung finden sie in unserem Download-Bereich.

Quellenangaben:
Hötker-Ponath, G. (2009). Trennung und Scheidung - Prozessbegleitende Interventionen in Beratung und Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta.
Koch, C. & Strecker, C. (2011). Kindern bei Trennung und Scheidung helfen. Hemsbach: Beltz.
Strobach, S. (2013). Scheidungskindern helfen. Übungen und Materialien (3. Aufl.). Weinheim: Beltz Juventa.