Burnout

1. Einführung

„Seit 2 Jahren quäle ich mich nur noch in die Schule. Häufig ging es mir so schlecht, dass mein Hausarzt darauf bestand, mich krankzuschreiben. Es fehlt mir einfach an Kraft, ich kann mich zu nichts mehr aufraffen, mich auf nichts mehr konzentrieren. Privatleben habe ich schon lange keines mehr, alles ging für die Schule drauf. Vorbereitungen, Korrekturen, und nach dem Unterricht habe ich dann apathisch auf dem Sofa gelegen, bis in den Abend hinein“ (Hillert & Marwitz, 2006, S. 17).

AusgebranntSo beschreibt eine 49jährige Lehrerin ihren Alltag und begab sich aufgrund des Burnout-Syndroms in stationäre Behandlung. Ausgebrannt, erschöpft, energielos – Burnout ist die Kehrseite unserer heutigen Leistungsgesellschaft. Hillert & Marwitz (2006) fragen sich:

Leistungssteigerung x Flexibilität - Sicherheit = Burnout?

Mittlerweile hat das Burnout-Syndrom umgreifende Ausmaße angenommen und ist in aller Munde. Manche sprechen von einer Modediagnose, andere von einer Volkskrankheit. Trotz der steigenden Erkrankungszahlen hat sich das Burnout als eigenständiges Syndrom in der Klassifikation von Krankheiten (ICD-10, 2006) noch nicht durchgesetzt. Burnout findet sich nur als Zusatzkategorie und wird als ein Faktor beschrieben, der den Gesundheitszustand negativ beeinflussen kann (Diagnoseschlüssel Z73.0). Daraus folgt, dass aktuell Burnout an sich kein eigenständiges Syndrom darstellt, nicht klar definiert werden kann und strenggenommen keine alleinige Krankheitsdiagnose sein kann. Aufgrund dessen wird Burnout häufig als Zusatz zu einer anderen Störung vergeben, welche die bestehenden Symptome beschreibt (z.B. Depression, Anpassungsstörung) (Lanz, 2010).

Quellenangaben:
Hillert, A. & Marwitz, M. (2006). Die Burnout Epidemie oder brennt die Leistungsgesellschaft aus? München: C.H.Beck.
Lanz, C. (2010). Burnout aus ressourcenorientierter Sicht im Geschlechtervergleich. Wiesbaden: VS Verlag.

2. Was ist Burnout?

BurnoutIn deutscher Sprache bedeutet der Begriff Burnout übersetzt "ausgebrannt". Burnout ist ein "Zustand physischer, emotionaler und mentaler Erschöpfung aufgrund langanhaltender Einbindung in emotional belastende Situationen" (Pines & Aronson, 1988). Es ist also ein beklagenswerter Zustand von übermäßiger Erschöpfung, innerer Distanzierung, Leistungsabfall und psychosomatischen Beschwerden (Kallwass, 2008). Wer von Burnout spricht, meint meist den hier beschriebenen Endzustand.

Eigentlich ist Burnout ein langer Prozesses, in dem der Mensch durch übermäßige Beanspruchung nach und nach ausbrennt. Zu einem Burnout kommt es, wenn ein Mensch über lange Zeit zu viel Energie abgegeben hat und zu wenig Energie nachgekommen ist. Menschen mit Idealismus, Arbeitseifer und Arbeitsbegeisterung können in einen Zustand chronischer Erschöpfung kommen. Dieser Prozess geschieht oft über Jahre und erfolgt in mehreren Phasen. Ein Erschöpfungszustand ist gekennzeichnet durch Antriebsschwäche, Leistungsschwäche, Gedächtnisstörungen, Niedergeschlagenheit und Müdigkeit. Mitunter kann es zu Infektionen und psychosomatischen Beschwerden kommen. Gefährdet sind Menschen, die an sich besonders hohe Anforderungen stellen und über einen langen Zeitraum viel Engagement in ihre Tätigkeit investieren. Zu einem Burnout kommt es dann, wenn das erwartete Maß an Erfolg und Anerkennung nicht erhalten wird. Häufig tritt dieses Phänomen in den sozialen und helfenden Berufen wie bei BetreuerInnen, PädagogInnen, SozialarbeiterInnen, LehrerInnen, ÄrztInnen und Krankenpflegepersonal auf (Grabe, 2010).

Nach Freudenberger & Richelson (1980) gibt es zwei grobe Stadien des Burnout-Prozesses:

1. Stadium: In der ersten Phase wird das Ausbrennen empfunden. Als Bewältigungsversuch der Erschöpfung wird mit Gleichgültigkeit und Zynismus reagiert. Der Betroffene zeigt sich chronisch müde, reizbarer und kann auch an Aufmerksamkeits-, Denk- und Konzentrationsstörungen leiden.

2. Stadium: In Stufe zwei findet eine Verdrängung statt (die eigentliche Gefahr), in dessen Rahmen eine Empfindungslosigkeit und die Weigerung etwas zu verändern auftritt. Der Betroffene erkennt und akzeptiert nicht, dass er ausgebrannt ist und verdrängt das Gefühl.

Quellenangaben:
Freudenberger, H.J. & Richelson, G. (1980). Burn-Out. The High Costs of High Achievement. Garden City, N. Y.: Anchor Press.
Grabe, M (2010). Zeitkrankheit Burnout. Warum Menschen ausbrennen und was man dagegen tun kann. Marburg: Francke.
Kallwass, A. (2008). Das Burn-out-Syndrom. Wir finden einen Weg. München: FinanzBuch Verlag.
Pines, A. & Aronson, E. (1988). Career Burnout. New York: The Free Press.

3. Wie zeigt sich Burnout?

LeistungsfähigBurnout ist kein plötzlich eintretender Zustand, sondern vielmehr ein Prozess, der in Phasen verläuft. Diesen Phasen können typische Krankheitssymptome zugeordnet werden (Burisch, 2006; Grabe, 2010):

1.Phase: Warnsymptome der Anfangsphase

In der ersten Phase bestimmt ein überhöhter Energieeinsatz (z.B. freiwillige Mehrarbeit, Gefühl der Unentbehrlichkeit, Gefühl nie Zeit zu haben, Verleugnung eigener Bedürfnisse) den Arbeitsalltag. Dieser Einsatz muss sich nicht zwingend durch vermehrte Überstunden oder körperliche Strapazen bemerkbar machen, eine stundenlange Anspannung während der Arbeitszeit, mit dem Gefühl, dass jederzeit etwas Unangenehmes passieren kann, ist völlig ausreichend. Ein zentrales Warnsignal ist es, wenn Personen nach der Arbeit nicht mehr abschalten können und möglicherweise durch die gedankliche Beschäftigung mit dem Arbeitsstress nicht mehr einschlafen können. Ausschlaggebend für Burnout ist die negative Gefühlslage, sprich wenn Einsatz und Ertrag, Positives und Negatives sowie Anstrengung und Belohnung in einem Missverhältnis stehen. Der/die Betroffene kann die erste Phase des Burnouts meist erst im Nachhinein erkennen. Symptome sind vor allem einen chronische Müdigkeit, ein Gefühl, nicht richtig ausgeschlafen zu sein, zu wenig Energie zu haben und nicht abschalten zu können.

2.Phase: Reduziertes Engagement

Personen die dauerhaft von ihrer Arbeit frustriert sind, entwickeln als Folge der emotionalen Erschöpfung einen Überdruss ihrer Arbeit gegenüber (Verlust des Idealismus, Widerwille, Tagträume und Fluchtgedanken in der Arbeit, Überziehen der Pausen etc.). Es kostet Betroffenen viel Überwindung, überhaupt zur Arbeit zu gehen, vor allem montags und soziale Kontakte (z.B. zu KundInnen) wahrzunehmen. Betroffene ziehen sich emotional zurück, dabei gibt es unterschiedliche Selbstdistanzierungstechniken (z.B. Verlust von Empathie, emotionale Kälte, Zynismus, Schwierigkeiten anderen zuzuhören). Eine wesentliche davon ist die Entwertung, denn Entwertung hilft, Abstand herzustellen. Beispielsweise wird versucht, die Beziehungen zu anderen Menschen zu entpersönlichen, den direkten Kontakt mit anderen zu verringern oder eine Haltung der „inneren Kündigung“ einzunehmen. Die Personen arbeiten nur mehr, um ihr Leben finanzieren zu können und reduzieren ihr emotionales Engagement auf ein Minimum.

3.Phase: Emotionale Reduktion; Schuldzuweisung

In dieser Phase wird nun eine Art Trauerarbeit geleistet, denn Vorstellungen über den Beruf, Ideale oder die eigene Rolle müssen losgelassen und korrigiert werden. Um mit dem unbefriedigenden Zustand umzugehen, kann die Schuld dafür bei der eigenen Person oder bei der Umwelt gesucht werden. Wer die Schuld bei sich sucht, kann depressiv reagieren (z.B. Schuldgefühle, reduzierte Selbstachtung, Angstgefühle, Nervosität, innere Leere, Schwächegefühl). Das Gefühl der Hilflosigkeit wird als persönliches Versagen interpretiert. Die emotionale Reaktion kann sich aber auch in Form von Aggression gegen die Umwelt richten (z.B. Vorwürfe an andere, Launenhaftigkeit, Misstrauen, Ärger, häufige Konflikte mit anderen).

4.Phase: Der Abbau

Zu viel ArbeitIn dieser Phase sind Menschen immer weniger in der Lage, die äußeren Anforderungen zu erfüllen, da die Leistungsfähigkeit (Konzentration, Gedächtnis, Entscheidungsunfähigkeit etc.) und die Motivation (z.B. verringerte Produktivität und Initiative) sinken. Flüchtigkeitsfehler nehmen zu, Terminabsprachen werden vergessen und es kommt zu einem Abbau von Kreativität. In der Regel machen die Betroffenen in den Betrieben Dienst nach Vorschrift und fallen nicht auf. Denkweisen werden bequemer und jede Vereinfachung wird schnell aufgenommen. Wenn Betroffene diesen Abbau an sich erkennen, kommt es meist zu einer Verstärkung der Depression und Angstreaktionen, was wiederum zu einer Beschleunigung des Abbaus führt.

5.Phase: Die Verflachung

In dieser Phase gibt es nicht nur eine berufliche Erstarrung sondern es kommt auch zu einer generellen Verflachung des emotionalen, sozialen und geistigen Lebens (z.B. Gefühllosigkeit, Verflachung emotionaler Reaktionen, wenig Anteilnahme am Leben anderer, Eigenbrötelei, mit sich selbst beschäftigt sein, Aufgeben von Hobbys, allgemeines Desinteresse). Die Betroffenen können kein wirkliches Interesse anderen Menschen gegenüber entgegenbringen. Dadurch gerät der Betroffene immer mehr in die Isolation und Einsamkeit, denn Bezugspersonen ziehen sich zurück. Die Situation wird immer aussichtsloser.

6.Phase: Psychosomatische Reaktionen

In der Anfangsphase eines Burnouts können sich schon psychosomatische Symptome zeigen. Infektionskrankheiten können häufiger auftreten, auch Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme, Verspannungen und Verdauungsbeschwerden nehmen zu. Nicht selten kommt es zu einer schnellen Gewichtszunahme, weil Betroffene nicht mehr auf ihre Gesundheit achten und im Essen auch unbewusst Trost und Verwöhnung suchen. Wer raucht, tut dies in dieser Phase nun stärker, auch steigt der Alkoholkonsum. In der Folge kann es zu koronaren Herzkrankheiten oder Magengeschwüre kommen.

7.Phase: Die Verzweiflung

Diese Phase beschreibt das Burnout-Endstadium der völligen Verzweiflung, Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Den Betroffenen erscheint das Leben sinnlos, Gedanken an Selbstmord können entstehen. Die Menschen sind oft so verstrickt in das Gefühl der eigenen Hilflosigkeit und Angst vor der Gesellschaft mit ihren Anforderungen, dass es ihnen unmöglich erscheint, wieder in ein normales aktives Leben zurückzukehren.

Quellenangaben:
Burisch, M. (2006). Das Burnout-Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung. Zahlreiche Fallbeispiele. Hilfen zur Selbsthilfe (3. Aufl.). Heidelberg: Springer Medizin.
Grabe, M (2010). Zeitkrankheit Burnout. Warum Menschen ausbrennen und was man dagegen tun kann. Marburg: Francke.

4. Was hilft gegen Burnout?

AuszeitHaben Sie sich auf den vorherigen Seiten wiedergefunden oder sind Sie so stressbelastet, dass Sie befürchten, an Burnout zu erkranken? Es gibt einige vorsorgliche Strategien, die gegen den Prozess des Ausbrennens schützen sollen. Neben diesen Bewältigungsmöglichkeiten geht es natürlich auch darum, die Arbeitsbedingungen in den Betrieben lebenswert zu gestalten.

Das Schlüsselwort für das präventive Vorgehen gegen Burnout ist Stressbewältigung; chronische Stresszustände sollen vermieden und gemindert werden. Ziel ist es, die Belastungen des Lebens zu reduzieren, die eigene Belastbarkeit zu steigern und Stressbewältigungstechniken zu erlernen (Hedderich, 2009; Kentzler & Richter, 2010):

  • Selbstreflexion: Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Stressverhalten ist die Grundlage für eine Veränderung. Was bereitet mir Stress? Was geht in mir vor? Wie regiere ich in Stresssituationen? Kann ich Stress vermindern?
  • Entlastung: Entlasten Sie Ihren Alltag, indem Sie realistische Tagespläne aufstellen und ohne schlechtes Gewissen Pausen einplanen. Identifizieren und eliminieren Sie "Zeitfresser" und versuchen Sie, für möglichst viel Entlastung zu sorgen (z.B. Arbeiten abgeben, Putzfrau einstellen, Nein-Sagen).
  • Gezielt Stress reduzieren: Versuchen Sie bewusst Stressquellen zu vermindern, von Kleinigkeiten bis hin zu großen Veränderungen (z.B. Diensthandy nach Arbeitsende ausschalten, Nein-Sagen, Arbeiten delegieren, Konflikte sachlich besprechen, Arbeitszeiten ändern, Job wechseln, sich Prioritäten vor Augen führen, sich gedanklich in der Freizeit nicht mehr weiter mit der Arbeit beschäftigen).
  • Erholung: Alle Erholungsmaßnahmen lindern die Stressreaktionen im Körper und beugen weiteren vor. Ziel ist es, die Alarmreaktionen des Körpers zu dämpfen. Ausreichend Schlaf, Bewegung, regelmäßige gesunde Nahrungsaufnahme und alle Tätigkeiten, die Freude und Entspannung versprechen, sollten regelmäßig einen Ausgleich zur Arbeit bieten.
  • Kurzfristige Erleichterung: In Stresssituationen können bewusst eingesetzte schnelle Interventionen das Stresslevel ein wenig senken (z.B. Augen schließen und durchatmen, zwei Minuten aus dem Fenster blicken und die Natur betrachten, ein Lied im Radio genießen). Weitere Möglichkeiten sind, mit Schwung eine Treppe hinauf zu laufen, um sich abzureagieren oder sich selbst positiv zu instruieren ("Das schaffe ich schon!", "So schnell gebe ich nicht auf!").
  • Soziale Unterstützung: Auch wenn sich viele unter Stress stehende Personen gerne zurück ziehen, werden positive soziale Kontakte meist als entlastend empfunden. Pflegen Sie Ihre privaten und beruflichen Kontakte, sprechen Sie sich mit Vertrauten aus, suchen Sie sich Hilfe und nehmen Sie diese an oder treten Sie in einen Verein ein.
  • Sich Hinterfragen: Meist weisen Burnout-Betroffene selbstschädigende Einstellungen und Denkweisen auf, die stressverstärkend wirken. Hinterfragen Sie sich, ob Sie zu hohe Erwartungen an sich selbst haben, perfektionistisch sind, falsche Vorstellungen oder Ideale verfolgen, zu wenig auf sich achten oder sich in Kleinigkeiten hinein steigern. Gibt es Bereiche im Leben, in denen man mit weniger Einsatz genauso gute Ergebnisse erzielen kann?

Quellenangaben:
Hedderich, I. (2009). Burnout: Ursachen, Formen, Auswege. München: C.H. Beck.
Kentzler, C. & Richter, J. (2010). Stressmanagement: Das Kienbaum Trainingsprogramm. Freiburg: Haufe-Lexware.

5. Psychologische Behandlung

Ist man zu sehr im Teufelskreislauf der gesellschaftlichen Verpflichtungen gefangen ist es hilfreich professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Nach dem diagnostischen Prozess bei welchem die Persönlichkeit bzw. die individuelle Problematik genauer beleuchtet wird, lernt man mit Hilfe von psychologischen Gesprächen bzw. Entspannungstechniken (z.B.: Biofeedback) die Belastungen des Lebens zu reduzieren bzw. einen anderen persönlichen Umgang damit zu finden.